Totensonntag

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Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen! Amen.

Offb 21,1-7: 1 Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr. 2 Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann. 3 Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; 4 und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. 5 Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu! Und er spricht: Schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiss! 6 Und er sprach zu mir: Es ist geschehen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst. 7 Wer überwindet, der wird es alles ererben, und ich werde sein Gott sein und er wird mein Sohn sein.

Liebe Gemeinde!
Als junge Pfarrerin besprach ich meinen ersten Gottesdienst zum Ewigkeitssonntag mit dem damaligen Kirchenmusiker. Da sagte dieser: „Eigentlich müsste man an diesem Tag 'Lobe den Herren' singen.Aber aus Rücksicht auf die Leute habe ich mit dem Chor etwas anderes eingeübt.“
In der Tat: Der Ewigkeitssonntag hat ein schweres Thema. Er erinnert uns daran, dass unser Leben auf der Erde endlich ist. Ob für jede und jeden mit dem persönlichen Sterben oder ob für uns alle eines Tages am Ende der Welt – einmal ist Schluss mit dem Leben auf der Erde. Und das hat für viele nichts mit „Lobe den Herren“ zu tun.
Denn es ist schmerzlich. Es bedeutet, dass Abschied zum Leben gehört. Manchmal spüren wir das einfach daran, dass wir altern und gewisse Sachen nicht mehr gehen, etwa: Nächte durchmachen, gewisse Sportarten, Kinder bekommen oder Autofahren. Wir spüren, dass die Augen, die Ohren, die Zähne oder die Kondition nachlassen. Wir müssen von Träumen und Hoffnungen Abschied nehmen. Und wir alle spüren gerade im Moment unsere Endlichkeit  daran, dass wir uns seit Monaten vor einer Krankheit in Acht nehmen sollen.
Noch schmerzlicher merken wir es, wenn wir einen geliebten Menschen hergeben müssen. Viele von uns wissen, was damit verbunden sein kann: Einen lieben Menschen leiden sehen. Das Gefühl der Leere, wenn man allein am Tisch sitzt oder im Bett liegt. Die Trauer und Sehnsucht, die immer wieder aufkommt. Die Hilflosigkeit bei den Aufgaben, die traditionell die verstorbene Person geleistet hat.
Dass unser Leben endlich ist, ist also für viele kein erfreuliches Thema, und der Kirchenmusiker, der „Lobe den Herren“ vorgeschlagen hatte, ließ mich nachdenklich zurück: Was kann man an diesem Tag Erfreuliches finden?
Unser heutiger Abschnitt kann die Antwort darauf sein. Er sagt uns: Nach dem Leben auf der Erde ist nicht alles aus. Da wird allen, die überwinden, ein neues Leben vor Augen gestellt. Wunderschöne Bilder werden uns da vor Augen gemalt.
Wir sehen eine wunderschöne Stadt. Äußerlich ist sie geschmückt wie zu einem schönen Fest. Kein Müll liegt herum, keiner muss in ärmlichen Hütten oder unter Brücken leben. Aber auch innerlich ist diese Stadt, das neue Jerusalem, schön: Es gibt kein Unrecht, keinen Streit und keine Gewalt. Denn Gott selber ist da. Er wohnt mitten unter den Menschen und prägt den guten Geist dieser Stadt.
Uns wird auch ein guter Vater gezeigt: Gott selbst. Wer zu ihm kommt, wird getröstet. Wir dürfen alles Leid, das unser Leben beschwert hat, bei ihm ablegen. Und er nimmt uns zärtlich in seine Arme, trocknet unsere Tränen und sagt: „Nun ist alles gut.“ Und so wird es sein und ewig bleiben.
Schließlich hält unser Abschnitt uns eine Quelle vor Augen. Hier können wir hinkommen mit all unseren Bedürfnissen und unserem Lebensdurst. Hier werden wir versorgt mit dem Leben, das wir brauchen. Hunger und Durst, Einsamkeit und Sehnsucht, Trauer und innere Leere wird es nicht mehr geben.
Ja, am Ewigkeitssonntag feiern wir die gute Zukunft, die Gott bereithält. Denn er verspricht: Wer überwindet, der wird das alles ererben.
Aber was heißt „überwinden“? Müssen wir aus eigener Kraft das Böse besiegen und immer alles richtig machen? Müssen wir alle Zweifel und Anfechtungen überwinden und unangefochten glauben?
Dank Jesus Christus ist es nicht so. Dass die gute Zukunft wirklich für uns bereit steht, für uns mit allem Mangel an Vertrauen und Liebe, den wir haben, dafür ist Jesus Christus in die Welt gekommen, gestorben und auferstanden.
Überwinden heißt deshalb lediglich, die Beziehung zu Jesus Christus nicht abreißen zu lassen. Er legt Wert auf uns, wenn wir Wert auf ihn legen. Und mit der Beziehung zu Jesus Christus ist es wie mit jeder Beziehung: Sie ist lebendig, so lange man  im Gespräch bleibt, solange es der andere einem wert ist, mit ihm in Kontakt zu treten.
Wir dürfen uns bei Jesus Christus alles von der Seele reden, was uns bewegt. Wir dürfen ihm auch Dinge sagen wie: „Ich kann dir kaum vertrauen“ oder „Ich bin wütend, dass du mir das antust“ oder „Ich habe Angst“ oder „Ich bin so traurig, ich weiß nicht, wie ich es aushalten soll“. Wir dürfen vor ihm schreien und weinen, müssen nicht stark und beherrscht sein.
Und wir dürfen vertrauen: Jesus Christus lässt uns nicht allein. Vielleicht spüren wir es, indem sich nach so einem Gebet innerer Friede einstellt. Vielleicht, indem im richtigen Moment ein Mensch auftaucht, der uns zur Seite steht. Vielleicht spüren wir die Nähe und Hilfe Jesu, indem uns das Lachen eines Kindes oder die Katze, die uns um die Beine streicht, aus einem dunklen Moment herausreißt. Vielleicht spüren wir die Nähe Jesu, indem Zuversicht in uns aufkeimt oder neue Tatkraft entsteht und wir spüren: Auch schwere Dinge wie Krankheit und Angst, Trauer und Abschied können wir bewältigen. Vielleicht spüren wir die Nähe und Hilfe Jesu, indem mitten in allem Schweren ein Lachen in uns aufkommt. Das durfte unsere Familie erleben, als mein Vater starb. Meine beiden Neffen, Zwillinge mit Behinderung, die ziemlich stark auf Koffer und Taschen fixiert sind, fragten: „Nimmt Großvater jetzt in den Himmel einen riesigen Koffer mit?“ Das Schmunzeln darüber tat uns gut.
Und vielleicht kennt mancher ähnlich liebenswürdige Erinnerungen.
Ewigkeitssonntag erinnert uns daran, dass wir endlich sind. Aber er erinnert uns auch daran, dass Gott eine gute Zukunft für uns bereit hat, auf die wir hoffen dürfen, obwohl der Augenschein dagegen spricht.
Ein tröstendes und ermutigendes Bild dabei ist für mich das sogenannte Gnadenstuhlmotiv: Gott sitzt auf dem Thron. Er hält in seinen Händen Jesus am Kreuz, dessen Blick auf den Betrachter gerichtet ist, also von Gott weg. Jesus kann in dieser Position nicht sehen, dass Gott ihn hält, und doch ist es so.  Mir gibt das Bild Mut, denn es sagt mir: Selbst wenn wir uns gar nicht so fühlen, sind wir doch bei Gott in guten Händen. Gott schenke uns seinen Geist, damit wir darauf vertrauen, es spüren und so die Hoffnung auf Gottes gute Zukunft nicht verlieren, sondern diese Hoffnung uns auch durch schwere Zeiten trägt. Amen.
Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.  

Guter Gott, du hast eine gute Zukunft für uns bereit. Nach allem Leid folgt Erlösung. Nach dem Sterben folgt neues Leben. Bei dir sind wir auf ewig in guten Händen. Hilf, dass diese Gewissheit uns in guten wie in schweren Zeiten Mut, Kraft, Trost und Zuversicht gibt. Amen.

Vater unser im Himmel. Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Es segne und behüte dich der allmächtige und barmherzige Gott, der Vater, der Sohn und der heilige Geist. Amen.