Andacht

 

Monatsspruch für Dezember 2023:
Meine Augen haben deinen Heiland gesehen,
das Heil, das du bereitet hast vor allen Völkern.
(Lk. 2,30-31)


Irgendwann geht alles zu Ende, und manchmal
schneller, als uns lieb ist. „Kinder, wie die Zeit
vergeht“, seufzen wir im Advent, wenn wir mit
Geschenken und anderen Vorbereitungen im
Hintertreffen sind. „Schade, jetzt ist Weihnachten
wieder vorbei“, bedauern wir, wenn wir am 27.
12. wieder an die Arbeit müssen. Und zum Jahreswechsel
sagen wir: „Schon wieder ein Jahr
vergangen, die Zeit vergeht wie im Fluge.“ Und uns
wird, zumal in unsicheren Krisenzeiten, wie
wir sie im Moment erleben, deutlich klar, dass
nicht nur die Zeit allgemein vergeht, sondern auch
unsere Lebenszeit. Irgendwann kommt der
Moment, da hört die Zeit auf der Erde für uns auf.
Ein erschreckender Gedanke.
Simeon, ein alter Mann, der kurz nach der Geburt
Jesu den Tempel in Jerusalem besuchte, sah das
anders. Man hatte ihm gesagt: „Du wirst erst
sterben, wenn dir der Messias begegnet.“ Als nun
Maria und Joseph den kleinen Jesus in den Tempel
brachten, um ihn zu segnen und für ihn zu
opfern, da sagte Simeon: „Meine Augen haben
deinen Heiland gesehen, das Heil, das du bereitet
hast vor allen Völkern. Nun kannst du mich in
Frieden sterben lassen.“
Daran dürfen wir uns auch halten: Wir haben Jesus
Christus gesehen, wir haben von seinem Weg
erfahren, wir haben erfahren, dass er uns den Weg
zu einem guten neuen Leben unter Gottes
Herrschaft bereitet hat. Also muss es uns nicht
schrecken, dass die Zeit vergeht. Denn wir sind ja
bei Gott in den besten Händen. Statt dessen
können wir uns ohne Angst, statt dessen voller
Zuversicht, der Tatsache stellen, dass die Zeit und
auch wir vergänglich sind. Wie kann das
aussehen?
Vor Jahren hatte ich einmal einen hektischen Tag,
an dem auch noch eine traurige Nachricht über
Liebe Gemeindemitglieder
in Lanzendorf und Himmelkron,
den Tod eines befreundeten Kollegen bei mir
eintraf. Das Leben erschien mir grau in grau an
diesem Tag, und schließlich hatte ich auch noch
einen Autounfall, der für mich auch viel schlimmer
hätte ausgehen können. Aber ich entstieg den
Überresten meines Autos unverletzt. Es war
bemerkenswert, wie dieses Erlebnis mein Leben
änderte. Auf einmal wurde mir vieles zum
Hochgenuss: das Müsli am Morgen, ein nettes
Gespräch am Tage, eine Umarmung meines
Mannes, ein Gang durch die winterliche Stadt,
mein schönes warmes Bett. Noch etwas war
merkwürdig: Auf einmal konnte ich auch viel
lockerer über die kleinen Ärgernisse des Alltags
hinweggehen. Kleine Nervereien wie der falsch
verbundene Anrufer während des Mittagessens,
die unfreundliche Bedienung oder der gerissene
Schnürsenkel regten mich nicht mehr besonders
auf – was waren sie schon im Vergleich zum Leben?
Außerdem merkte ich, dass ich eine riesige Zuversicht
entwickelte. Ich hatte in dieser Zeit direkt
nach dem Unfall ein unglaubliches Vertrauen, dass
alles schon seinen richtigen Gang gehen würde.
Das gab mir Kraft, wichtige Aufgaben anzupacken.
In dieser Zeit stand ich unter dem starken Eindruck,
wie es auch Simon erlebt hatte: Ich bin
vergänglich, aber bei Gott bin ich in den besten
Händen.
Meine Augen haben deinen Heiland gesehen, das
Heil, das du bereitet hast vor allen Völkern.
Vielleicht kann dieser Satz zusammen mit der
Geschichte des Simeon uns auch ohne Unfall
bewusst machen: Wir sind vergänglich, aber bei
Gott in den besten Händen. Und ich wünsche uns,
dass dieser Gedanke uns neue Freude am Leben,
Gelassenheit gegenüber unwichtigen Ärgernissen,
Zuversicht und Mut für unsere Aufgaben gibt.

Ihre Pfarrerin Almut Weisensee