4. So. n. Trinitatis

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Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen! Amen.

1. Mose 50,15-21: 15 Die Brüder Josefs aber fürchteten sich, als ihr Vater gestorben war, und sprachen: Josef könnte uns gram sein und uns alle Bosheit vergelten, die wir an ihm getan haben. 16 Darum ließen sie ihm sagen: Dein Vater befahl vor seinem Tode und sprach: 17 So sollt ihr zu Josef sagen: Vergib doch deinen Brüdern die Missetat und ihre Sünde, dass sie so übel an dir getan haben. Nun vergib doch diese Missetat uns, den Dienern des Gottes deines Vaters! Aber Josef weinte, als man ihm solches sagte. 18 Und seine Brüder gingen selbst hin und fielen vor ihm nieder und sprachen: Siehe, wir sind deine Knechte. 19 Josef aber sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Stehe ich denn an Gottes statt? 20 Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen, um zu tun, was jetzt am Tage ist, nämlich am Leben zu erhalten ein großes Volk. 21 So fürchtet euch nun nicht; ich will euch und eure Kinder versorgen. Und er tröstete sie und redete freundlich mit ihnen.

Liebe Gemeinde!
Wenn ich eine Wut im Bauch habe, habe ich sie dummerweise in meinem Bauch. Sie verursacht mir Magendrücken. Sie macht meine Laune mies. Sie lenkt mich vielleicht von Wichtigerem ab. Wenn ich eine Wut im Bauch habe, dann leide zuerst mal ich selbst darunter.
Aber Wut hat oft verständliche Gründe.
„Das war einfach gemein, was die da gesagt hat.“ - Ja, es ist begreiflich, dass wir wütend sind, wenn jemand uns kränkt.
„Das ist ungerecht – irgendwelche Leute führen sich auf, und wir haben dann Scherereien“ - ja, das passiert zuhauf: Münze am Einkaufswagen, bezahltes Antivirusprogramm auf dem Computer, strenge Coronaregeln für alle, weil es Übertretungen von einigen gegeben hat. Ich kann jeden verstehen, den das ärgert. Mich auch.
„Was der getan hat, kann ich nicht vergessen, es hat mir so viel Leid verursacht und viel von meiner Lebenszeit vermiest.“ Ja, das ist wohl am schlimmsten, wenn wir durch Dinge wie Liebeskummer, Mobbing, Kriminalität oder Krieg lange Zeit im Leid verbringen. Das prägt ein Leben, und ich kann verstehen, dass das wütend macht. So etwas habe ich auch schon erlebt.
Aber, wie gesagt: Die Wut ist dann in unserem Bauch, verursacht uns Magendrücken, macht unsere Laune mies und hält uns vielleicht von Wichtigerem ab. An unserer Wut leiden zuerst mal wir selbst.
Ob Rache helfen könnte? So gut wie nie.
Eine gemeine Bemerkung lässt sich nicht ungeschehen machen, selbst wenn der andere sich entschuldigt oder vielleicht sogar wegen Beleidigung ein Bußgeld zahlt, müssen wir selbst die Kränkung verarbeiten.
Oder bei diesen Scherereien, wo sich andere aufgeführt haben, hilft es uns in der Regel wenig, wenn man den einen oder anderen dingfest macht. Das gibt uns zwar vielleicht Genugtuung für einen Moment – aber die Scherereien bleiben uns erhalten.
Und wenn wir durch das Verhalten anderer schweres Leid erfahren haben, lässt sich das in der Regel auch durch einen Schadensersatz nicht ungeschehen machen oder aufwiegen.
Vergeltung, Strafe oder Rache ist oft nur ein ganz kurzer Moment der Genugtuung. Und: Vergeltung, Strafe oder Rache heizt die schwierige Situation zwischen Menschen oft noch weiter auf.
Eigentlich tun wir uns selbst das Allerbeste, wenn wir auf Vergeltung verzichten und anderen verzeihen können.
Aber was hilft uns dazu?
Schauen wir doch einmal, was dem Josef geholfen hat. Der hatte seinen Brüdern ja einiges vorzuwerfen. Klar, er war als Kind ein kleiner, nerviger Angeber. Aber das rechtfertigt nicht, dass die Brüder ihn in einen Brunnen geworfen und später als Sklaven verkauft haben. Voller Angst im Brunnen sitzen, die Heimat verlieren, als Sklave arbeiten, später unschuldig im Gefängnis sitzen, statt einfach mit der Familie daheim zu sein, das alles hatte Josef erleiden müssen, letztlich durch das Verhalten seiner Brüder. Aber Josef machte Karriere in Ägypten, arbeitete sich aus der Not heraus und nahm anlässlich einer Hungersnot Vater und Brüder in Ägypten auf. Und nun ist der Vater gestorben. Die Brüder fragen sich: „Hat Josef mit seiner Rache nur gewartet, bis der Vater es nicht mehr mitbekommt?“ Sie bitten ihn demütig um Verzeihung. Und Josef gewährt sie ihnen trotz aller Widrigkeiten, die er ihretwegen hatte mitmachen müssen. Was hat ihm wohl dazu geholfen? In der Geschichte sehen wir: Josefs Reaktion begründet sich in seinem Gottvertrauen. Er sagt: „ Fürchtet euch nicht! Stehe ich denn an Gottes statt? Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen.“
Josef sieht also, wie gut es ihm jetzt geht – und er ist sich klar: So etwas gelingt nur mit Gottes Hilfe. Er ist auch nur ein Mensch (vielleicht hat er sogar inzwischen verstanden, was für ein nerviger Angeber er als Kind war), und Gutes kann auch ihm nur gelingen durch Gottes Hilfe und durch die Begabungen, die Gott ihm schenkt. Und so kann er auf andere, die Böses getan haben, nicht herabschauen. Er beurteilt seine Brüder nicht mehr aus der Sicht dessen, der sich etwas Besseres dünkt, sondern sieht sich mit ihnen in einem Boot: Menschen, die ohne Gott nichts Gutes tun und bekommen können.
Und noch mehr: Josef vertraut, dass alles, was im Leben geschieht, einen Sinn hat, weil Gott die Dinge so fügt, wie es sein soll. Er vertraut, dass selbst das Schlimme, was ihm durch das Verhalten anderer entstanden ist, seinen Sinn hat.
Er kann den Brüdern verzeihen, weil er alles Gott anvertraut. Kann uns das helfen, wenn wir eine Wut im Bauch haben?
Ja, es kann uns wirklich helfen, wenn wir wie Josef begreifen: Wir sind, wie alle anderen auch, unvollkommene Menschen, die ohne Gottes Hilfe nichts Gutes bewirken können. Diese innere Haltung kann uns helfen, dass wir auch bereit sind, unsere eigenen Anteile an einem Konflikt wahrzunehmen. Und sie kann uns helfen, dass wir uns klar machen: Auch wir können manchmal andere kränken, anderen Scherereien verursachen oder, wenn es hart kommt, vielleicht sogar anderen wesentliche Teile ihres Lebens vermiesen. Wir sind, beim besten Willen, nicht davor gefeit, dass uns das unterläuft. Und dieser Gedanke kann uns ein Stück Gnade gegenüber anderen geben, so dass wir eher bereit sind, Entschuldigungen anzunehmen und auf Vergeltung zu verzichten. Und so, dass wir etwas gelassener werden und die Wut in unserem Bauch vielleicht nicht mehr ganz so schmerzt.
Und es kann auch helfen, wenn wir uns klar machen: Gottes Händen dürfen wir unser Leben anvertrauen. Wir wissen ja nicht, ob wirklich alles besser gelaufen wäre, wenn uns das Unrecht, das wir erleiden mussten, nicht widerfahren wäre. Zum Beispiel Josef: Wäre er, wenn er daheim geblieben wäre, vielleicht bei der Hungersnot, die den Rest seiner Familie ereilt hat, ums Leben gekommen? Dass Gott es gut mit uns meint, selbst wenn Menschen uns das Leben schwer machen, diese Gewissheit kann uns helfen, dass wir Gott unser Leben anvertrauen, dass wir ihm sogar Rache und Vergeltung anvertrauen und dass wir vielleicht, statt unter Wut im Bauch zu leiden, denken können: Wer weiß, vielleicht hat es ja einen guten Sinn, dass mir das widerfahren ist?
Ja, Gottvertrauen kann ein Stück Hilfe sein gegen Rachsucht und Streit und gegen die Wut im Bauch, die oft uns selbst am allermeisten quält. Und so schenke uns Gott, dass auch wir sagen können: Was auch immer andere mit uns Böses im Sinn haben, Gott gedenkt, es gut mit uns zu machen. Amen.

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.   

Guter Gott, dass wir Menschen unvollkommen sind, macht uns immer wieder das Leben schwer. Danke, dass wir auf deine Vergebung vertrauen dürfen, wenn wir etwas Unrechtes getan haben, das uns im Nachhinein leid tut. Hilf uns, dass wir deine Vergebung auch weitergeben, versöhnlich sind und Frieden üben. Amen.

Vater unser im Himmel. Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Es segne und behüte dich der allmächtige und barmherzige Gott, der Vater, der Sohn und der heilige Geist. Amen