19. So. n. Trinitatis

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Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen! Amen.

Liebe Gemeinde!
Am Kaffeetisch. Die eine erzählt von ihrem Rheuma, der andere von seiner Herzerkrankung, und so geht es weiter, bis jemand sagt: „Furchtbar, immer reden wir über Krankheiten.“ Ja, warum passiert das wohl? Ich vermute, eine Krankheit (wenn sie mehr ist als eine ganz banale Infektion) ist eine Erfahrung, die uns nahe geht und unser Leben verändert.
So hat es jedenfalls Hiskia erlebt. Hiskia war einer der Könige Israels, einer, über den die Bibel ziemlich gut geurteilt hat. Aber er wird krank, so sehr, dass der Prophet Jesaja zu ihm sagt: „Bestelle dein Haus!“ Hiskia weint und betet, und dann kommt von Gott das Versprechen: „Ich schenke dir noch weitere 15 Jahre.“ Tatsächlich geht es Hiskia besser, und in einem Danklied an Gott erleben wir, was er durchgemacht hat. Wir hören Jes. 38,9-20: 9 Dies ist das Lied Hiskias, des Königs von Juda, als er krank gewesen und von seiner Krankheit gesund geworden war: 10 Ich sprach: In der Mitte meines Lebens muss ich dahinfahren, zu des Totenreichs Pforten bin ich befohlen für den Rest meiner Jahre. 11 Ich sprach: Nun werde ich nicht mehr sehen den HERRN, ja, den HERRN im Lande der Lebendigen, nicht mehr schauen die Menschen, mit denen, die auf der Welt sind. 12 Meine Hütte ist abgebrochen und über mir weggenommen wie eines Hirten Zelt. Zu Ende gewebt hab ich mein Leben wie ein Weber; er schneidet mich ab vom Faden. Tag und Nacht gibst du mich preis; 13 bis zum Morgen schreie ich um Hilfe; aber er zerbricht mir alle meine Knochen wie ein Löwe; Tag und Nacht gibst du mich preis. 14 Ich zwitschere wie eine Schwalbe und gurre wie eine Taube. Meine Augen sehen verlangend nach oben: Herr, ich leide Not, tritt für mich ein! 15 Was soll ich reden und was ihm sagen? Er hat's getan! Entflohen ist all mein Schlaf bei solcher Betrübnis meiner Seele. 16 Herr, davon lebt man, und allein darin liegt meines Lebens Kraft: Das lässt mich genesen und am Leben bleiben. 17 Siehe, um Trost war mir sehr bange. Du aber hast dich meiner Seele herzlich angenommen, dass sie nicht verdürbe; denn du wirfst alle meine Sünden hinter dich zurück. 18 Denn die Toten loben dich nicht, und der Tod rühmt dich nicht, und die in die Grube fahren, warten nicht auf deine Treue; 19 sondern allein, die da leben, loben dich so wie ich heute. Der Vater macht den Kindern deine Treue kund. 20 Der HERR hat mir geholfen, darum wollen wir singen und spielen, solange wir leben, im Hause des HERRN!
Erfahrungen, die manchen von uns nicht fremd sind. Frau X hat seit einigen Jahren ihren Traumberuf gefunden. Die Kinder sind aus dem Haus, und so könnte jetzt ein entspanntes Leben beginnen mit beruflicher Erfüllung, schöner Zweisamkeit und netten Besuchen der erwachsenen Kinder. Und dann: seltsame Beschwerden. Erste Untersuchungen. Befund: Etwas in der Lunge, was da nicht hingehört. Es könnte dies oder das sein, auch Lungenkrebs ist eine der von den Ärzten angedachten Möglichkeiten. Frau X googelt und findet heraus: Wenn sie Lungenkrebs hat und der auch noch aggressiv ist, bleiben ihr nur wenige Monate.
Wenn jemand so etwas erlebt, ist es tatsächlich, als wäre die Schere schon an den Lebensfaden gelegt. Oder alles bricht zusammen wie ein brüchiges Haus. Da herrscht die nackte Angst, kein Wunder, wenn es Tränen und Klagen gibt.
Und tatsächlich, Hiskia hat es uns vorgemacht: Auf Gott zu vertrauen heißt nicht, dass wir immer Haltung bewahren oder gar positiv sein müssen. Ja, mit unserem Weinen, Klagen und Schreien dürfen wir uns Gott anvertrauen, unsere Ängste vor ihn bringen. Denn Gott selbst weiß so genau wie wir: Sterben betrifft jeden, und Sterben ist schwer. Und damit dürfen wir, wie Hiskia, zu Gott kommen, so wie wir sind.
Frau X hat inzwischen noch weitere Untersuchungen. Woche um Woche hat sie auf Ergebnisse warten müssen, und jetzt sagt ihr der Arzt: „Höchstwahrscheinlich kein Krebs, eher eine Autoimmunerkrankung.“ Schlimm genug. Frau X wird nie ganz gesund sein, wird auf gesundes Leben achten müssen und vielleicht Medikamente nehmen müssen. Aber wenn sie das tut, ist doch zu hoffen, dass die Krankheit nicht rasant fortschreitet. Eine neue Lebensperspektive. Äußerlich könnte Frau X nun weitgehend weitermachen wie zuvor. Aber innerlich hat sich etwas geändert. Frau X wirbelt weniger herum und denkt mehr nach. Sie überlegt sich genauer, was wirklich wichtiger ist, und Kleinigkeiten, über die sie sich früher aufregen konnte, nimmt sie jetzt gelassener. Und Frau X freut sich über Dinge, die früher alltäglich wirkten. Das Leben, das äußerlich nicht anders wirkt als früher, ist bunter für sie geworden.
So ähnlich berichtet es auch Hiskia, der Gott aus vollstem Herzen lobt. Und so ähnlich haben es mir schon viele Menschen erzählt, die schwere Krankheiten erlebt haben. Und auch ich kenne solche Gefühle.
Was Hiskia und andere da berichten, ist aber eigentlich eine heilsame Sichtweise: Wahrnehmen, dass wir vergänglich sind – aber gerade deshalb das Leben umso achtsamer leben, indem wir uns genau überlegen, was wichtig ist, und indem wir uns nicht nur über Besonderheiten, sondern den Alltag und das Leben an sich freuen.
Eigentlich wäre es nicht verkehrt, wenn wir diese Sichtweise immer hätten. Uns klar machen, dass wir vergänglich sind, dass es mit unserem Leben schnell einmal anders werden oder ganz aus sein kann.  
Freilich: Das würde uns vielleicht Angst machen, so wie es dem Hiskia Angst gemacht hat und schon vielen anderen Menschen auf der Welt.
Aber schon von Hiskia, der diese Angst durchlebt hat, lernen wir auch, dass wir selbst in der Angst nicht fallengelassen werden, sondern in Gottes Händen sind.
Und wir kennen noch einen Prominenten, der solche Todesangst durchlebt hat: Jesus Christus. Auch er klagte und weinte und wandte sich mit alledem an Gott. Und dann ging er seinen Weg, in diesem Fall wirklich hinein ins Sterben und erst dann in die Auferstehung.
Wenn schon Hiskia seine Angst vor dem Tod bei Gott aufgehoben wusste, umso mehr dürfen wir das tun mit der Botschaft von Jesus Christus im Hintergrund. Vielleicht kann uns das den Mut geben, Krankheit und Vergänglichkeit nicht aus dem Leben auszuklammern.
Das soll nicht dahingehend ausarten, dass wir jeden Tag die Todesangst des Hiskia durchleben.
Sondern es soll eher so aussehen: Weil wir auf Gott vertrauen, müssen wir unsere Vergänglichkeit nicht verdrängen. Umso mehr sehen wir unser Leben als Geschenk, das nicht selbstverständlich ist. Wir überlegen, was wichtig ist. Vielleicht uns auch mal in aller Ruhe Zeit nehmen für Menschen mit Krankheiten und Problemen. Vielleicht weniger Stress und mehr Zeit für unsere Lieben und für Gott. Vielleicht nicht nur die schlechten Seiten sehen, sondern mehr für das Gute danken.
Unser vergängliches Leben nicht selbstverständlich nehmen. Statt dessen bedenken, was wichtig ist und uns am Geschenk des Lebens freuen – das tut uns gut, und Gott schenke uns dazu seinen Geist. Amen.
Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.   

Guter Gott, wir danken dir, dass du jeden Tag für uns da bist, in guten wie in schweren Zeiten. Hilf uns, dass wir das spüren und dir fest vertrauen können. Lass vor allem alle Kranken deine Liebe und Nähe spüren, lindere ihre Not und gib ihnen Kraft und Zuversicht. Lass uns erfahren, dass wir bei dir in guten Händen sind. Amen.

Vater unser im Himmel. Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Es segne und behüte dich der allmächtige und barmherzige Gott, der Vater, der Sohn und der heilige Geist. Amen